Der Pankower Appell
Vorschlag und Empfehlung zu Ethik-Richtlinien für
die Funktionärstätigkeit im Kleingartenwesen
nach dem BKleingG.
(Der vorliegende "Pankower Appell" wurde bereits angekündigt im Artikel der
"Berliner Morgenpost" vom 15.10.2019 : Ein erster Schritt, ein erster Entwurf, zur Herbeiführung einer bundesweiten Diskussion).
" Die Besten werden nicht des Geldes wegen kommen "
Vorbemerkung : Fast alle Funktionsträger des deutschen Kleingartenwesens
verhalten sich ehrlich und redlich, beachten den Grundsatz von Treu und Glauben. Der Ausübung des ehrenamtlichen Engagements ist Anerkennung zu zollen. Die Allermeisten vermeiden es auch, einen
Irrweg zu beschreiten, der in Interessengegensätze führt. Letzteres trifft aber nicht auf ausnahmslos alle Funktionsträger zu. Dies ist hinreichend dokumentiert (vgl. dazu unsere Leitartikel vom
Juli, August und Oktober 2019: www.pankower-gartenzwerge.de ). Es besteht die Gefahr, daß die geschilderten Geschäftspraktiken im Berliner Bezirk Pankow bundesweit schule machen.
Dem gilt es entgegenzuwirken.
Wer sich gegen eine Ignoranz ggü. der Problematik von Interessengegensätzen ausspricht, bspw. weil er das Bestehen von Interessengegensätzen in
Bezug auf das eigene Handeln mit ehrlicher Absicht weit von sich weist, der kann eigentlich die vorliegende Empfehlung (den "Pankower Appell") nur begrüßen. Alle, die das deutsche
Kleingartenwesen (im Sinne des BKleingG) unterstützen und am Leben erhalten wollen, sollten hier zusammenwirken.
Dieses Zusammenwirken ist um so wichtiger in Zeiten, in denen das deutsche Kleingartenwesen sich zunehmend Bedrohungen und Bestrebungen ausgesetzt sieht, die auf eine Umwandlung von Kleingartenanlagen/flächen in Erholungsanlagen oder Siedlungsland abzielen und bei denen nicht selten Grundstücks- bzw. Baulandspekulation auch eine Rolle spielt. Dabei geht es oft um sehr viel Geld. Und wer wollte jemals uns Menschen die Fähigkeit zur Versuchung absprechen ? Insoweit sind hier Interessengegensätze (vgl. www.pankower-gartenzwerge.de/interessengegensätze ) von ganz besonderer Brisanz, auch dort, wo sie ggf. nicht strafrechtsrelevant sein sollten. "Heilige" sind rar gesät. Und ohne soziale Kontrolle, ohne hinreichende Rechtsnormen und/oder Ethik-Richtlinien, wächst die unheilvolle Bedeutung von "Erdenresten" (jenseits aller Heiligkeit und Lauterkeit) unaufhörlich.
Wasserdichte Rechtsnormen, die niemand umgehen kann, wird es hier nicht geben können, sehr wohl aber sind Ethik-Richtlinien als starker Impulsgeber denkbar. Sie sind überfällig.
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§ 1 Präambel / Grundsatz der konsequenten Ehrenamtlichkeit
und Gemeinnützigkeit
(1) Die Tätigkeit der Funktionsträger im Kleingartenwesen soll (insbesondere auf der Ebene der örtlichen Kleingartenvereine und
der Ebene der Bezirksverbände bzw. Kreisverbände) nach Möglichkeit grundsätzlich ehrenamtlich erfolgen. Dieser Grundsatz steht einer Beschäftigung von Hilfspersonal (Bürodienste u.a.) in einem
arbeitsrechtlichen Arbeitnehmerverhältnis nicht entgegen, soweit dies zur Sicherstellung der Aufgabenerfüllung erforderlich ist.
(2) Das Prinzip der Gemeinnützigkeit (bei sämtlichen Organisationen des Kleingartenwesens) im Sinne des § 2 BKleingG ist
anzustreben und streng zu beachten.
(3) Eine weite Auslegung ist anzustreben: Ehrenamtlichkeit und Gemeinnützigkeit bei der Vereins- und Funktionärstätigkeit
sind nicht nur im Rahmen einer verengten juristischen Auslegung, sondern darüber hinaus (in ihrer ethischen Bedeutung für das Kleingartenwesen und für die Gesellschaft insgesamt) in einem weit
auszulegenden Sinne streng zu respektieren. Diesem Zwecke dienen die nachfolgenden Paragraphen :
§ 2 Keine Nebeneinkünfte durch Insiderwissen
(1) Alle Personen, die in den Organisationen des deutschen Kleingartenwesens (auf sämtlichen Ebenen) eine Funktion übertragen
bekommen haben, sei es als Ehrenamt oder sei es in einem nicht-ehrenamtlichen Rechtsverhältnis (bspw. in einem arbeitsrechtlichen Arbeitsverhältnis), dürfen das Insiderwissen, das ihnen dabei
zugänglich ist, nicht zur Erzielung von "zusätzlichen Einkünften", welcher Art auch immer, ausnutzen. Mit "zusätzlichen Einkünften" sind hier Einkünfte jedweder Art gemeint (Gewinne, Löhne,
Vergütungen, Provisionen, Tandieme, Courtagen u.a. ...), die nicht direkt von den Kleingartenorganisationen, in denen die Person Funktionen wahrnimmt, für die Ausübung/Wahrnehmung dieser Funktionen (im Sinne des § 1 Abs.1) gewährt werden .
(2) Die Ausführungen des Abs. 1 beziehen sich auf die im § 4 genannten Geschäftsfelder und Tätigkeitsbereiche. Auf andere,
außer den im § 4 genannten Geschäftsfeldern und Tätigkeitsbereichen beziehen sich die Ausführungen des Abs. 1 nur dann, wenn sich im Einzelfall ein Interessengegensatz zu den Belangen des
Kleingartenwesens auftut und/oder die Grundsätze der Ehrenamtlichkeit oder Gemeinnützigkeit (§ 1) gefährdet werden.
§ 3 Vermeidung von Interessengegensätzen
(1) Interessengegensätze bzw. die Inkaufnahme derselben -in Bezug auf die Tätigkeiten der Funktionsträger des Kleingartenwesens-
sind streng zu vermeiden. Dabei ist zu beachten, daß das Bestehen oder Nichtbestehen eines Interessengegensatzes nicht notwendigerweise von einer Einschätzung der moralischen Integrität der
handelnden Personen abhängt. Zu beachten ist hier des Weiteren, daß zu den Interessen des Kleingartenwesens die Zielsetzungen gehören, die sich aus § 2 BKleingG ergeben, und auch die Abwehr aller
Bestrebungen zur Reduzierung der Anzahl der Kleingartenanlagen und/oder der Kleingartenflächen, seien diese Bestrebungen nun politischer oder bauplanungsrechtlicher Art und/oder durch die
Interessen von Bauspekulanten oder Grundstücksspekulanten motiviert. Ganz besondere Bedeutung haben daher die Regelungen des § 4.
(2) Funktionsträger im Kleingartenwesen dürfen keine Verträge mit sich selbst abschließen, insoweit sie dabei einerseits als
Funktionsträger des Kleingartenwesens auftreten und andererseits in anderer Funktion (bspw. als Geschäftsführer einer GmbH).
§ 4 Maklertätigkeit und Verkausmanagement, Grundstücksverwaltung
Die Regelungen der §§ 1 bis 3 gelten insbesondere bzw. sind besonders bedeutungsvoll in folgenden Tätigkeitsbereichen: Verwaltung und
Vermittlung (Verkaufsmanagement, Maklertätigkeit, Verwaltertätigkeit) von: Kleingartenanlagen, ehemaligen Kleingartenanlagen, Wochenendgrundstücken, Datschenanlagen, Siedlungsanlagen,
Erholungsanlagen, Grünanlagen, Mietergärten, Gemeinschaftsgärten. Selbstverständlich kann jede Person im Rahmen der Gewerbefreiheit oder der Berufsfreiheit in diesen Bereichen Tätigkeiten
entfalten, dann aber darf sie nicht zugleich Funktionsträger im Kleingartenwesen sein. Niemand kann gezwungen werden, Funktionsträger des Kleingartenwesens zu werden oder zu bleiben. Im Zweifel
ist vom Bestehen eines Interessenkonflikts (§ 3 Abs. 1) auszugehen.
§ 5 Abführung / Weiterleitung erzielter Gewinne und sonstiger
Einnahmen an die Kleingartenvereine vor
Ort
Funktionsträger des Kleingartenwesens, die "zusätzliche Einkünfte" im Sinne des § 2 Abs.1 erzielt haben, führen diese Einnahmen (Einnahmen nach
Abzug gezahlter Steuern) an die örtlichen Kleingartenvereine ab - gleichmäßig verteilt an die Kleingartenvereine des jeweiligen Bezirks- bzw. Kreisverbandes. So kann sichergestellt werden, daß
die Interessen des Kleingartenwesens einerseits und die Interessen der Kleingartenfunktionäre andererseits deckungsgleich bleiben.
§ 6 Satzungsgestaltung auf der Ebene der Bezirks-
bzw. Kreisverbände / Zusätzliche
"Steuerungsinstrumente"
(1) Sofern in der Organisation und Leitung und im Interesse des Kleingartenwesens besondere bzw. zusätzliche
"Steuerungsinstrumente" sinnvoll sein sollten, so sollte versucht werden, diese Steuerungsinstrumente integrativ als Bestandteil des jeweiligen Bezirks- bzw. Kreisverbandes (der
Kleingärtner/Gartenfreunde) zu implantieren. Sollte das die jeweilige Satzung nicht zulassen, so ist eine entsprechende Satzungsänderung anzustreben; vorausgesetzt, daß dabei die Grundsätze der
Ehrenamtlichkeit und Gemeinnützigkeit nicht gefährdet werden.
(2) Sollte eine Implementierung der im Absatz 1 genannten Steuerungsinstrumente innerhalb des Bezirks- bzw. Kreisverbandes nicht
möglich sein bzw. sich insoweit die Gründung einer externen Instutution (zur Schaffung zusätzlicher Steuerungsinstrumente) als unvermeidbar erweisen, so ist eine Organisationsform zu wählen,
welche wiederum die Grundsätze der Ehrenamtlichkeit und Gemeinnützigkeit streng wahrt (bspw. ein gemeinnütziger Verein oder eine gGmbH -gemeinnützige GmbH-).
§ 7 Offenlegung der Einkünfte / Angehörige der
Funktionsträger
(1) "Zusätzliche Einkünfte" im Sinne des § 2 Absatz 1 sind der Vereinsöffentlichkeit bei der Mitglieder- bzw.
Delegiertenversammlung bekannt zu geben. Die rechtlichen Voraussetzungen dafür sind gem. Art.6 Abs.1 DSGVO jeweils zu schaffen, was problemlos möglich ist. Stellt sich der betreffende
Funktionträger des Kleingartenwesens dagegen, verhindert er diese Offenlegung, so kann er nicht Funktionsträger des Kleingartenwesens werden oder bleiben. Niemand kann gezwungen werden,
Funktionsträger des Kleingartenwesens zu werden oder zu bleiben.
(2) Ein Unterlaufen der Ethik-Richtlinien des vorliegenden "Pankower Appells" dergestalt, daß Angehörige des "Funktionsträgers im
Kleingartenwesen" dessen Insiderwissen nutzen und/oder Interessengegensätze begründen (vgl. die §§ 2, 3 und 4), darf nicht stattfinden. Für den Begriff des "Angehörigen" ist hierbei die Regelung
des § 20 Abs.5 VwVfG (Bund) zugrunde zu legen.
§ 8 Wartezeit / Karenzzeit
Alle Regelungen dieses "Pankower Appells" gelten nicht mehr für ehemalige Funktionsträger des Kleingartenwesens, sofern die Betreffenden seit
mindestens zwei Jahren keinerlei Funktionen mehr im Kleingartenwesen ausgeübt haben (nicht auf der Ebene eines Kleingartenvereins, nicht auf Bezirks- oder Kreisverbandsebene, nicht auf Landes-
und nicht auf Bundesebene).
§ 9 Geheime Abstimmung
Bei Mitgliederversammlungen und Delegiertenversammlungen, bei denen es zu Vertrauensabstimmungen kommt -bezogen auf die Person eines
Funktionsträgers im Kleingartenwesen-, ist grundsätzlich die Form der geheimen Abstimmung zu wählen.